Pressemitteilung vom 12.08.2024 betr. das Verfahren Lv 8/23 (Organstreitverfahren der AfD-Landtagsfraktion zur Besetzung eines Untersuchungsausschusses)

12.08.2024

AfD – Fraktion unterliegt in weiterem Organstreitverfahren gegen den Landtag: Keine Rechtsverletzung durch Plenumsbeschluss zur Besetzung des „Untersuchungsausschusses zum Fall Yeboah“

Der vom Landtag des Saarlandes am 21.6.2023 gefasste Plenumsbeschluss zur Besetzung des 1. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode mit fünf ordentlichen Mitgliedern, von denen drei der SPD-Fraktion und zwei der CDU-Fraktion angehören, verletzt die AfD-Fraktion nicht in ihren durch die Verfassung des Saarlandes gewährten Rechten auf gleichberechtigte Mitwirkung am parlamentarischen Betrieb. Die Verfassung des Saarlandes gewährt den Fraktionen des Landtags keinen Anspruch auf ein Grundmandat in einem Untersuchungsausschuss. Das hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes mit Urteil vom 5.8.2024 entschieden.

 

I. Sachverhalt

Der 17. Landtag des Saarlandes, der sich aus der die Regierung allein tragenden SPD-Fraktion mit 29 Abgeordneten sowie den beiden Oppositionsfraktionen der CDU-Fraktion mit 19 Abgeordneten und der AfD-Fraktion mit drei Abgeordneten zusammensetzt, hat mit Beschluss vom 21.6.2023 einen Untersuchungsausschuss zum „Umgang der saarländischen Behörden mit dem Brandanschlag vom 19.9.1991 in Saarlouis-Fraulautern und mit weiteren ausländerfeindlichen Straftaten sowie deren Opfern zu Beginn der Neunzigerjahre im Saarland“ eingesetzt, dessen Aufgabe – unter anderem – die Aufklärung etwaiger Versäumnisse der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen nach diesem Brandanschlag sein soll. Mit einer zweiten Entscheidung vom gleichen Tag hat der Landtag die Größe dieses Untersuchungsausschusses auf fünf ordentliche Mitglieder begrenzt und nach dem Zählverfahren d’Hondt als Mitglieder drei Abgeordnete der SPD-Fraktion und zwei-Mitglieder der CDU-Fraktion bestimmt. Die AfD-Landtagsfraktion wurde nicht berücksichtigt. Ihr kommt nach § 14 Abs. 2 des Gesetzes über den Landtag des Saarlandes (LtG) daher lediglich das Recht zu, ein „ständiges beratendes Mitglied“ in den Untersuchungsausschuss zu entsenden.

Die AfD-Fraktion hat dies für unzulässig und verfassungswidrig gehalten und daher am 27.6.2023 beim Verfassungsgerichtshof des Saarlandes ein Organstreitverfahren gegen den Landtag des Saarlandes eingeleitet sowie zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem primären Ziel gestellt, schon einstweilen durch ein über alle parlamentarischen Rechte verfügendes Mitglied im Untersuchungsausschuss vertreten zu sein.

Hierauf und die damit einhergehende mediale Berichterstattung erging am 6.7.2023 ein Beschluss des Präsidiums des Landtags zur Auslegung von § 14 Abs. 2 LtG, aufgrund dessen dem „ständigen beratenden Mitglied“ der AfD-Fraktion im folgenden sämtliche Rechte eines ordentlichen Mitglieds - mit Ausnahme des Stimmrechts - in dem verfahrensgegenständlichen Untersuchungsausschuss sowie finanzielle Mittel in Höhe einer Stelle der Wertigkeit E 13 zugebilligt wurden.

Mit Beschluss vom 28.7.2023 (Lv 8/23) hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes daraufhin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aufgrund einer Folgenabwägung abgelehnt, da eine weitere Sicherung von parlamentarischen Mitwirkungsrechten der AfD-Landtagsfraktion zur Abwehr einer dringenden Gefahr für das gemeine Wohl nicht mehr geboten erschien.
Im Hauptsacheverfahren, in welchem der Verfassungsgerichtshof am 26.7.2024 mündlich verhandelt hat, hat die AfD-Fraktion zuletzt die Feststellung einer Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte durch den im Rahmen der Beschlussfassung vom 21.6.2023 unterlassenen Zuspruch eines ordentlichen Mitglieds sowie die unterlassene formalgesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten des ihr lediglich zugebilligten beratenden Mitglieds begehrt.

 

II. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Urteil vom 5.8.2024 (Lv 8/23) vollumfänglich zurückgewiesen.

Soweit der Antrag zuletzt auch auf die Feststellung einer Rechtsverletzung durch die unterbliebene formalgesetzliche Regelung der Rechte und Pflichten des beratenden Mitglieds gerichtet worden sei, sei er bereits unzulässig. Die Frage, ob es für bestimmte Maßnahmen eines Verfassungsorgans eines förmlichen Gesetzes bedürfe, könne nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein. Eine eigenständige Rechtsverletzung durch die konkrete Ausgestaltung der dem beratenden Mitglied der AfD-Fraktion faktisch eingeräumten Rechtsposition habe die Antragstellerin nicht ausdrücklich behauptet und auch nicht näher begründet.

Im Übrigen sei der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet. Die von dem Antragsgegner am 21.6.2023 beschlossene Besetzung des Untersuchungsausschusses mit fünf Mitgliedern, von denen drei der SPD-Fraktion und zwei der CDU-Fraktion angehören, wahre den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, nach dem grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung diejenige des Plenums in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln müsse. Ausgehend von der konkreten Sitzverteilung im 17. Landtag des Saarlandes entfielen bei einer Ausschussgröße von fünf Mitgliedern nach der verfassungsrechtlich zulässigen Berechnungsmethode d`Hondt drei ordentliche Mitglieder auf die SPD-Fraktion und zwei auf die CDU-Fraktion. Der AfD-Fraktion würde selbst dann keine ordentliche Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss zustehen, wenn im Streitfall von Seiten des Landtags bei der Bestimmung der Ausschussgröße die in § 14 Abs. 2 LtG vorgesehene Obergrenze von sieben Mitgliedern ausgeschöpft worden wäre. Dementsprechend stehe der AfD-Fraktion nach § 14 Abs. 2 LtG lediglich eine beratende Mitgliedschaft zu.

Ein darüberhinausgehender verfassungsrechtlicher Anspruch einer jeden Fraktion auf eine ordentliche Mitgliedschaft in einem Untersuchungsausschuss unabhängig von ihrer Größe bestehe nach saarländischem Verfassungsrecht nicht. Ein solcher Anspruch auf ein Grundmandat für jede Fraktion in Untersuchungsausschüssen, so wie ihn die AfD-Fraktion geltend mache, sei weder verfassungsrechtlich geboten noch durch ein - der Regelung des § 14 Abs. 2 LtG vorrangiges -Verfassungsgewohnheitsrecht zu begründen.

 

Die Entscheidung wird in Kürze im Volltext auf der Homepage des Verfassungsgerichtshofs (www.verfassungsgerichtshof-saarland.de) veröffentlicht werden.