Pressemitteilung vom 06.08.2024 betr. das Verfahren Lv 1/23 und Lv 1/24 (Organstreitverfahren der AfD-Landtagsfraktion zur Verteilung der Fraktionszuschüsse)

06.08.2024


Beide Organstreitverfahren der AfD-Landtagsfraktion zur Verteilung der Fraktionszuschüsse bleiben erfolglos

 

Mit Urteil vom 5.8.2024 hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes über die Anträge der AfD-Fraktion in den beiden Organstreitverfahren Lv 1/23 und Lv 1/24 entschieden, in denen die Frage der Verfassungskonformität der gegenwärtigen Fraktionsfinanzierung aufgeworfen war. Die von der AfD - Landtagsfraktion gestellten Anträge sind danach insgesamt erfolglos geblieben.

 

I. Sachverhalt

Die Antragstellerin ist die aus drei Mitgliedern bestehende AfD-Fraktion im Landtag des Saarlandes. Außer ihr sind im 17. Landtag des Saarlandes als weitere Oppositionsfraktion die CDU-Fraktion mit 19 Mitgliedern sowie die die Regierung allein tragende SPD-Fraktion mit 29 Mitgliedern vertreten. Die Fraktionen haben nach dem Gesetz über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen des Landtages des Saarlandes (SFraktRStG) zur Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben einen Anspruch auf Geld- und Sachleistungen aus dem Landeshaushalt. Die den Fraktionen insoweit gewährten Geldleistungen setzen sich zusammen aus einem Grundbetrag für jede Fraktion (sogenannter Grundbetrag), einem weiteren Betrag für jedes Mitglied einer Fraktion (sogenannter Kopfbetrag) sowie einem Zuschlag für jede Fraktion, die nicht die Landesregierung trägt (sogenannter Oppositionsbonus). Die Höhe der jeweiligen Beträge wird vom Landtag im Haushaltsgesetz festgelegt, Regelungen zu Art und Weise der Verteilung des Oppositionsbonus bestimmt das Gesetz hierbei nicht. Seit dem Jahr 2004 ist es geübte Praxis, dass der Oppositionsbonus auf die Oppositionsfraktionen nach der Zahl ihrer Mitglieder verteilt wird.

Im Dezember 2022 gab das Plenum des Landtags mit den Stimmen von SPD- und CDU-Fraktion gegen die Stimmen der AfD-Fraktion einem auf Initiative der CDU-Fraktion zustande gekommenen Abänderungsantrag des Ausschusses für Haushalt und Finanzen statt, welcher - im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsentwurf der Landesregierung - für das Jahr 2023 Veränderungen in der Verteilung des Gesamtbetrages der Zuweisungen auf die einzelnen Bestandteile der Finanzierung - konkret u.a. eine Absenkung des monatlichen Grundbetrages sowie eine Erhöhung des Oppositionsbonus - beinhaltete. Die so vom Landtag für das Rechnungsjahr 2023 im Haushaltsgesetz beschlossenen Änderungen, die im Folgenden auch für das Jahr 2024 beschlossen wurden, führten in Kombination mit der seit 2004 geübten Praxis, den Oppositionsbonus auf die Oppositionsfraktionen nach der Zahl ihrer Mitglieder zu verteilen, de facto zu einer Verringerung der monatlichen Gesamtzuwendungen an die AfD-Fraktion im Vergleich zu der Situation im Jahr 2022.

Vor diesem Hintergrund hat die AfD-Fraktion, die sich durch dieses Ergebnis unangemessen benachteiligt sieht, den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes angerufen und mit ihren Anträgen im Organstreitverfahren unter verschiedenen Aspekten die Feststellung einer Verletzung ihrer von der Verfassung gewährleisteten Rechte als Fraktion begehrt.

 

II. Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge der AfD-Fraktion teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.

Den von der AfD-Fraktion gestellten Antrag, mit dem das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über den Verteilmodus zum Oppositionsbonus beanstandet worden sei, hat der Verfassungsgerichtshof bereits als unzulässig angesehen. In einem Organstreitverfahren könne nicht gerügt werden, dass eine Regelung über finanzielle Zuwendungen an Fraktionen des Landtags durch ein parlamentarisches Gesetz erfolgen müsse. Das Organstreitverfahren diene der Sicherung organschaftlicher, durch die Verfassung gewährleisteter Rechte eines Verfassungsorgans oder seiner Teile gegenüber einem Verfassungsorgan. Es diene nicht der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit der Akte eines Verfassungsorgans. Mit der Rüge, dass die Verteilung des Oppositionsbonus einer gesetzlichen Regelung bedurft habe, werde bei verständiger Auslegung eine Missachtung des Vorbehalts des Gesetzes geltend gemacht. Einer Fraktion als Teil des Parlaments stehe jedoch kein Recht darauf zu, dass das Parlament sein Gesetzgebungsrecht wahrnehme.

Unzulässig sei auch der Antrag, mit dem gesondert die Feststellung einer Rechtsverletzung der AfD -Fraktion durch die von der Landtagspräsidentin für das Jahr 2023 zur Auszahlung gebrachten Höhe der Beträge begehrt werde. Insoweit fehle der Antragstellerin bereits ein Rechtschutzbedürfnis, denn die Landtagspräsidentin habe durch die monatliche Auszahlung lediglich das vollzogen, was im Haushaltsgesetz und Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 2023 vorgesehen gewesen und Gegenstand der weiteren Anträge der Antragstellerin sei.

Im Übrigen seien die Anträge auf Feststellung einer Rechtsverletzung der AfD-Fraktion zwar zulässig, aber unbegründet.

Die Verfassung des Saarlandes gewährleiste, wie der Verfassungsgerichtshof insoweit zunächst deutlich gemacht hat, den Fraktionen des Landtags weder einen Anspruch auf eine bestimmte Höhe einer geldlichen Unterstützung noch auf eine bestimmte Konzeption der Verteilung finanzieller Mittel. Auch sei der Landtag nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet gewesen, eine bestimmte Art und Weise der Verteilung der seinen Fraktionen in einem Haushaltsgesetz zugesprochenen finanziellen Mitteln in künftigen Haushaltsjahren fortzusetzen. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten werde ferner auch nicht bereits dadurch begründet, dass der Gesetz gewordene Änderungsantrag des Ausschusses für Haushalt und Finanzen keine Begründung enthalten habe. Ein solches – organschaftliches - Recht auf eine Begründung sehe die Verfassung nicht vor, zudem hänge die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes auch nicht davon ab, ob ihm eine Begründung beigefügt sei. In einem Organstreitverfahren gehe es allein darum, ob verfassungsmäßige Rechte eines Verfassungsorgans oder von Teilen eines solchen durch rechtserhebliche Maßnahmen eines anderen Verfassungsorgans objektiv verletzt worden seien.

Eine solche objektive Rechtsverletzung – insbesondere eine Verletzung des Rechts der AfD-Fraktion auf Gleichbehandlung - hat der Verfassungsgerichtshof nicht festzustellen vermocht. Zwar verbürge Art. 66 Abs. 2 Satz 1 SVerf nicht nur ein Recht auf Gleichbehandlung aller Abgeordneten des Landtags, sondern auch ein solches Recht ihrer parlamentarischen Zusammenschlüsse in Fraktionen. Im Rahmen von zu treffenden Verteilungsentscheidungen gewährleiste dieses Recht jedoch keine strikt formale Gleichbehandlung, sondern nur eine „proportionale“ Gleichbehandlung und in diesem Sinn werde die Antragstellerin bei der Verteilung der Fraktionszuschüsse gleichbehandelt wie die anderen Fraktionen des Landtags und insbesondere auch wie die andere im Landtag vertretene Oppositionsfraktion der CDU. Die Verfassung des Saarlandes gewährleiste keinen originären, von den Rechten ihrer Mitglieder und ihrer Größe unabhängigen Anspruch einer jeden Fraktion auf Gleichbehandlung. Daher könne die Gleichbehandlung von Fraktionen deren Größe nicht ausblenden, da unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten ansonsten eine geringere Anzahl von Abgeordneten im Ergebnis eine umfassendere Unterstützung erhielte als eine größere. Daher sei es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Fraktionen auch nicht zu beanstanden, wenn die Verteilung des Oppositionsbonus das Größenverhältnis der Oppositionsfraktionen abbilde.

Schließlich würden von der Verfassung gewährleistete Rechte der AfD-Fraktion auch nicht dadurch verletzt, dass der Landtag die Verteilung des Gesamtbetrages der Zuweisungen für Fraktionen auf die einzelnen Bestandteile der Finanzierung in den Jahren 2023 und 2024 gegenüber früheren Jahren verändert habe. Die Antragstellerin habe nicht konkret nachvollziehbar dargelegt, dass und wodurch sie dadurch in ihrer Arbeitsfähigkeit und in ihrer parlamentarischen Arbeit im Saarland nachhaltig beeinträchtigt sei. Dass eine willkürliche Diskriminierung der AfD-Fraktion nicht anzunehmen sei folge allein schon daraus, dass sie bezogen auf den einzelnen Abgeordneten einen mehr als doppelt so hohen Zuweisungsbetrag erhalte wie die um das mehr als das Sechsfache größere Oppositionsfraktion der CDU.

 

Die Entscheidung wird in Kürze im Volltext auf der Homepage des Verfassungsgerichtshofs (www.verfassungsgerichtshof-saarland.de) veröffentlicht werden.