I.
Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat die die Gültigkeit der Wahlen zum 17. Landtag des Saarlandes beanstandende Wahlprüfungsbeschwerde dreier Wahlberechtigter mit Entscheidung vom 28.7.2023 – die Entscheidung ist aus verfassungsprozessrechtlichen Gründen erst jetzt verkündet worden – abgewiesen. Die Wahlberechtigten hatten geltend gemacht, die Wahl zum 17. Landtag des Saarlandes sei ungültig und zu wiederholen, weil in verschiedenen Stimmbezirken zweier Gemeinden fehlerhafte Hinweise („Sie haben zwei Stimmen“) vorgehalten worden seien und weil die Gemeinde Illingen durch ihren für die Partei bunt.saar.de kandidierenden Bürgermeister unzulässige Wahlwerbung betrieben habe. Das habe angesichts der geringen Stimmenzahl, die der Partei Bündnis 90 / Die Grünen zum Einzug in das Parlament gefehlt habe, Mandatsrelevanz gehabt.
Der Verfassungsgerichtshof hat im Wesentlichen festgestellt,
– dass es bei den Wahlen zum Landtag des Saarlandes zwar einzelne Wahlfehler durch fehlerhafte Hinweise in Stimmbezirken gegeben hat, die jedoch nach seinen Ermittlungen keine Mandatsrelevanz gehabt haben könnten,
– dass nicht nur der werbende Einsatz staatlicher Mittel zur Wahlwerbung im Vorfeld von staatlichen Wahlen, sondern auch jener kommunaler Mittel eine Verletzung der Wahlrechtsgrundsätze darstellen könne; ein solcher, dem Wahlbewerber und Bürgermeister von Illingen zuzurechnende, ins Gewicht fallender Einsatz, könne allerdings nicht belastbar festgestellt werden.
II.
Sachverhalt und Entscheidung
1.
Die drei Beschwerdeführer hatten mit ihrer Wahlanfechtung geltend gemacht, dass der Ausgang der Wahl zum 17. Landtag des Saarlandes in erheblicher Weise zum einen durch fehlerhafte Hinweise zur Stimmabgabe in verschiedenen Wahlbezirken und zum anderen durch eine unzulässige Wahlwerbung des Bürgermeisters der Gemeinde Illingen beeinflusst worden sei. Gestützt hierauf hatten sie beantragt, die am 27.3.2022 stattgefundene Landtagswahl für ungültig zu erklären und die Wiederholung der Wahl anzuordnen.
2.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Wahlprüfungsbeschwerde zurückgewiesen und insoweit erkannt:
a)
Die nachweislich in drei Wahllokalen der Landeshauptstadt Saarbrücken zeitweise vorhandenen und darüber hinaus von einem Briefwahlbüro der Gemeinde Illingen ausgegebenen Merkblätter mit dem falschen Hinweis „Sie haben zwei Stimmen“ zwar als Wahlfehler im Sinne des Landeswahlgesetzes anzusehen seien. Denn es bestehe die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass sich auch durchschnittlich informierte Wähler im Vertrauen auf die Wahlanleitungen zu einer ungültigen Stimmabgabe verleiten ließen.
Zur (Teil-)Ungültigkeit der Wahl könnten jedoch nur solche Wahlfehler führen, von denen auch festzustellen sei, dass sie sich auf die Sitzverteilung im Landtag konkret ausgewirkt haben oder ausgewirkt haben können (sogenannte Mandatsrelevanz).
Eine solche Beeinflussung der Sitzverteilung durch die fehlerhaften Hinweise hat der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der von ihm umfangreich durchgeführten Ermittlungen jedoch nicht feststellen können, da die Zahl der infolge doppelter Stimmabgabe ungültigen Stimmen, die in den von den Beschwerdeführern konkret benannten Stimmbezirken mit irreführenden Hinweisen festzustellen waren, das Gesamtwahlergebnis rechnerisch nicht beeinflusst haben konnte.
Der Verfassungsgerichtshof hat klargestellt, dass Gegenstand seiner insoweit durchgeführten Überprüfung nur die bereits im parlamentarischen Wahlprüfungsverfahren substantiiert und konkret vorgetragenen Wahlfehler sein durften, nicht aber unbelegte Vermutungen oder bloße Andeutungen zu weiteren möglichen Wahlfehlern. Dem Vortrag der Beschwerdeführer, es sei nicht auszuschließen, dass es – über die tatsächlich bekannt gewordenen Fälle hinaus – auch in weiteren Wahlbezirken fehlerhafte Wahlanleitungen gegeben und daher auch andernorts
bei einer signifikanten Anzahl von Wählern ein Irrtum über die Anzahl der abzugebenden Stimmen erzeugt worden sei, durfte der Verfassungsgerichtshof daher nicht näher nachgehen.
b)
Der Verfassungsgerichtshof hat nicht festzustellen vermocht, dass der Bürgermeister der Gemeinde Illingen oder die Gemeinde für ihren Bürgermeister unzulässige Wahlwerbung im Zusammenhang mit der hier betroffenen Landtagswahl betrieben habe.
Insoweit hat der Verfassungsgerichtshof zwar bestätigt, dass nicht nur die Wahlwerbung von staatlichen Organen eine Beeinträchtigung der Freiheit und der Gleichheit der Wahl darstellen kann, sondern auch die Wahlwerbung kommunaler Amtsträger außerhalb von Kommunalwahlen unter Verwendung kommunaler Mittel.
Die von den Beschwerdeführern konkret beanstandete Wahlwerbung des Herrn Dr. Armin König als Kandidat im Landtagswahlkampf für die Wählergemeinschaft „bunt.saar.“ in der „Saarbrücker Zeitung“ und im „City Journal“ sei allerdings durchweg als solche erkennbar gewesen und offensichtlich nicht in seiner amtlichen Eigenschaft als Bürgermeister erfolgt. Sie sei auch nicht unter Verwendung kommunaler Mittel erfolgt, sondern von ihm selbst bezahlt worden. Soweit in den nämlichen Werbeanzeigen ein Bezug zu seinen kommunalen Erfahrungen und den von ihm in Anspruch genommenen Erfolgen hergestellt werde oder werden könne, sei das nicht zu beanstanden, sondern Teil einer jeden persönlich oder durch eine politische Partei für ihre Kandidatinnen und Kandidaten geführten und finanzierten Kampagne.
Von den (privaten) Werbeanzeigen des Herrn Dr. König als Spitzenkandidat von „bunt.saar“ abzugrenzen seien die von den Beschwerdeführern gleichsam beanstandeten Anzeigen der Gemeinde Illingen in der „Saarbrücker Zeitung“ und im „City Journal.“ Die betroffenen Beiträge enthielten für sich genommen keinerlei offene Wahlwerbung zugunsten von Herrn Dr. König, sondern – mit Blick auf den Inhalt der jeweiligen Druckerzeugnisse - bei objektiver Betrachtung grundsätzlich unbedenkliche Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde.
Allerdings dürfe eine Gemeinde auch nicht unter Verwendung von Haushaltsmitteln „verdeckte Wahlwerbung“ für ihre Amtsträgerinnen oder Amtsträger betreiben. Darauf könne, nicht anders als bei einer im Vorfeld von Wahlen stattfindenden staatlichen Öffentlichkeitsarbeit, geschlossen werden, wenn innerhalb des durch den Verfassungsgerichtshof bereits früher festgelegten Zeitraums von drei Monaten vor dem Wahltag eine Gemeinde gehäuft mit haushaltsfinanziertem Informationsmaterial, mit Werbebroschüren oder Veranstaltungen an die Öffentlichkeit trete, mit der sie die Leistungen ihrer Amtsträgerinnen oder Amtsträger, die zugleich in einem Landtagswahlkampf kandidierten, hervorhebe. In einem solchen Fall könne im Wahlprüfungsverfahren die Gültigkeit der Wahlen – gegebenenfalls in Bezug auf die jeweiligen kommunalen Wahlbezirke oder die jeweiligen kommunalen Kandidatinnen und Kandidaten – in Frage gestellt werden.
Ein derartig unzulässiges parteiergreifendes Eingreifen der Gemeinde Illingen auf den Wahlkampf „ihres“ Bürgermeisters sei jedoch hinsichtlich der die hier konkret in Rede stehenden Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde Illingen im Ergebnis nicht festzustellen gewesen.
Die Entscheidung wird in Kürze im Volltext auf der Homepage des Verfassungsgerichtshofs (www.verfassungsgerichtshof-saarland.de) veröffentlicht werden.